Was mich immer wieder den Kopf schütteln läßt, ist die blauäugige Gläubigkeit an alles, was im Ruch ethnisch exotischer Tradition steht.
Man kann so ziemlich jeden Unfug propagieren, wenn man nur glaubhaft macht, er stamme aus alten Überlieferungen (wahlweise: „uraltes Wissen“, „Wissensschatz“) eines Indianerstammes, der tibetanischen Mönche, der Aboriginees oder südamerikanischer Andenvölker. Gewiß können wir viel von anderen Kulturen lernen. Schwer verständlich ist indes, warum die geheimnisvolle Herkunft zum alleinigen Gütesiegel wird und jegliches kritische Denken abgeschaltet wird. Seltsamerweise verblasst jegliche wissenschaftlich verbürgte Erkenntnis neben dem, was einer Talkshow oder einer Illustrierten zufolge seit grauer Vorzeit von Schamanen praktiziert wird oder von Wissenschaftlern aus alten Tontäfelchen der Mayas entziffert wurde. Daß diese Informationen stimmen, daß es das Volk und die gelobten Traditionen überhaupt gibt und daß sie vor allem wirklich mehr als nur zufälligen Erfolg haben wird seltsamerweise völlig kritiklos geglaubt.

Würden wir denn nicht auch den Kopf schütteln, wenn afrikanische Stämme begönnen, in unserem "uralten Wissen" zu wühlen und Syphilis mit Quecksilber zu behandeln?

Sender, Autoren und Illustrierte verdienen sich an solchen Modeerscheinungen eine goldene Nase. Das Fremde genießt eine unglaubliche Faszination und blindes Vertrauen. Wahrscheinlich auch nur deshalb, weil man geheimnisvollerweise außer sensationsellen Entdeckungen, die „Bild der Frau“ jeder Leserin ganz im Vertrauen enthüllt, nie Näheres erfährt.

„Etwas muß ja doch dran sein, oder?“ - und jeder weiß ein Geschichtchen von der Freundin einer Bekannten, deren Hund durch die Urkraft (auch ein schönes Wort!) des Apfelkerns, durch paraguayanisches Matétee-Öl oder Schwedenkräuter geheilt worden ist.

Etwas muß ja dran sein, warum sonst würden so viele Leute Weizengras-Saft (ist schon wieder out), Apfelessig (Was soll da Tolles drin sein? Und warum muß man das in - teurer - Kapselform zu sich nehmen?) oder ähnliches konsumieren? Warum? Weil's die Werbung verspricht, weil's teuer ist (dann muß es ja was wert sein!) oder weil es in der Zeitung stand bzw. in der gestrigen Talkshow enthüllt wurde. Und daß die pseudowissenschaftlichen Brocken bei näherer Betrachtung oft hinten und vorne Unsinn sind, stört weder die Urheber noch die gläubige Gemeinde.