Jeder kennt die Anekdote von der Katze in der Mikrowelle. Jeder hat schon mal den Kopf darüber geschüttelt, daß ein amerikanisches Gericht der Klägerin Recht gegeben hat, auf dem Gerät müsse davor gewarnt werden, seine Heimtiere damit zu trocknen. Die Geschichte ist zwar nur hübsch erfunden, doch Urteile der amerikanischen Justiz sorgen hierzulande immer wieder für Heiterkeit. Etwa, wenn jemand von exzessivem Colagenuss Diabetes bekommt und die Herstellerfirma verklagt.

Aber sind wir denn so viel besser?

Jeden Winter kann man es lesen: Die Quecksilbersäule nähert sich der Null-Grad-Marke, Schnee fällt, taut an, gefriert, jemand bricht sich einen Arm oder ein Bein. Das passiert seit hunderten von Jahren. Im Unterschied zu früher ist aber heute die Stadtverwaltung schuld, die nicht den Eispickel geschwungen hat, die nicht schon während der Wettervorhersage tonnenweise Salz in die Gegend geschüttet und über Nacht zwanzig weitere Räumfahrzeuge geleast und Fahrer aus dem Hut gezaubert hat. Und gegen die wird dann prozessiert.

Neulich stand an einem Weiher in der Nähe ein Schild „Baden verboten“. Zugegeben, eine Begründung war nicht zu finden. Aber ein ausdrückliches Schild. Als die Eltern, die sich über das Verbot hinwegsetzten, erfuhren, daß ihre Kinder in einer Brühe aus Colibakterien & Co geplanscht hatten, war das Geschrei allerdings groß. Nach Verantwortlichen wurde gerufen – nach anderen natürlich.

Es ließe sich eine umfangreiche Liste immerwährender Schuldzuweisungen zusammenstellen: An schlechten Französischnoten ist der Lehrer schuld (ist bequemer, als selber zu lernen), die Luftverpestung verursachen böse Firmen, die vom bösen Staat immer noch keine Auflagen bekommen haben (und nicht etwa das eigene Auto).

Als ich vor einiger Zeit mit einer Klasse Kriterien sammelte, was das Erwachsensein ausmache, wurde an erster Stelle genannt: Bereitschaft und Fähigkeit, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.