Es kann mir ja egal sein, wenn die Menschen auf Werbesprüche hereinfallen, wenn sie sich Zitronensafteinläufe verpassen und damit die Darmschleimhaut verbrennen (ja, das gibt's wirklich!), um ihre „Schlacken“ loszuwerden (von denen bis heute niemand sagen kann, was das überhaupt sein soll). Es braucht mich nicht zu berühren, wenn ganze Industriezweige von modischen Trends und wöchentlich wechselnden Diäten leben, denn auch sie leisten einen gewaltigen Beitrag zur Wirtschaftsleistung. Sollen die Leute doch glauben, was in den Boulevardblättern täglich millionenfach verdreht, gelogen und verkauft wird. Sollen sie von mir aus ihr Leben nach zufälligen Sternkonstellationen ausrichten oder den Zahnarzt absagen, weil das Horoskop eine Glückssträhne in den eigenen vier Wänden verheißt. Es kann mir auch wurscht sein, wenn sich Menschen von Würstchen aus Massentierhaltung ernähren und anderntags für die Rechte von Hauskatzen auf die Straße gehen. Wenn jemand behauptet, der Mensch sei von Natur aus Vegetarier, so nehme ich das mit einem Lächeln zur Kenntnis und zeige dabei mein naturgegebenes Allesfressergebiß. Wer sich aus Furcht vor Giften destilliertes Wasser zum kraß überhöhten Preis kauft und trinkt, schadet auch nur seiner eigenen, nicht aber meiner Gesundheit. Ich kann darüber lachen, wenn Internetseiten Wunderpflanzen propagieren (Nährstoffe ohne Kalorien!) und mit wissenschaftlichem Eifer für deren Pflanzenfamilie einen Namen angeben, den es gar nicht gibt. Oder wenn Demonstranten gegen den Durchgangsverkehr im Ort mit dem Auto anreisen bzw. sich mit dem Handy zur Demo gegen die Mobilfunkanlage nebenan verabreden. Und wenn sich die Leute selbst das Leben schwer machen und alles verteufeln, was mit Lustgewinn zu tun hat.

Zu denken gibt mir dann aber, wenn ich in der Zeitung lese, daß Eltern fanatisch auf (menschliche = tierische) Milch verzichten und ihr Neugeborenes mit einer Mischung aus Fruchtsäften, Nüssen und anderem fast umbringen. Dann frage ich mich, ob man zusammen mit Fleisch, Schulmedizin und Fernseher - wenn's einem denn zuwider ist - auch auf das Denken verzichten muß. Ob man wirklich das uneingeschränkte Recht hat, seine Augen zu verschließen und sein Hirn abzuschalten.

Als Rousseau „Zurück zur Natur“ sagte, meinte er etwas ganz anderes. Viel passender finde ich hier Kants: „sapere aude“ -

Habe den Mut, dich deines Verstandes zu bedienen! 

Fisch enthält Quecksilber. Pilze sind alle radioaktiv verstrahlt. Eine Amalgamfüllung führt zu Alzheimer. Babynahrung enthält Pestizide.
Beliebig verlängerbar wäre die Liste schlagzeilenträchtiger Panikmeldungen, die die besorgten Bürger vom Bioladen zum rückstandskontrollierten Schreibpapier treiben. Bis auch hier irgend jemand Spuren von eventuell gesundheitsschädlichen Stoffen (Krebs durch Briefmarkenklebstoff?) findet, weil den Meldungen eins drauf gesetzt werden muss und nun das Gift in Bioprodukten angeprangert wird.
Nur soviel: Moderne Analysemethoden können Gifte und andere Substanzen in Konzentrationen nachweisen, die für die Ernährung meist völlig belanglos sind, für eine Panikmeldung aber allemal ausreichen. Ohne konkrete Angaben, ab welcher Konzentration der Stoff bedenklich ist, ist die Sensation keine. Deshalb wird sie auch schon am nächsten Tag von der neuen Schlagzeile verdrängt, die möglicherweise genau das Gegenteil behauptet.

Impfen ist unnatürlich und riskant. 
Daß viele Krankheiten in Mitteleuropa kein Thema sind, ist auf gründliches Impfen zurückzuführen - und die immer wieder gehäuft auftretenden Fälle (z.B. Polio) zeigen, daß sich das mit der Sorglosigkeit oder Impfangst der Bevölkerung schnell ändern kann. Ist es denn gut und natürlich, lebenslängliche Schäden durch oft (aber nicht immer) harmlose Infektionskrankheiten zu riskieren? 
Statistisch ist übrigens Haselnußschokolade (weil potentiell allergen!) weitaus gefährlicher als Impfen ... ehrlich!

Vom Rindfleisch bekommt man BSE (!).
Die Unkenntnis über die Krankheiten BSE (beim Rind!) und CJK (beim Menschen!) ist oft immer noch bodenlos. Die krasse Überschätzung der Risiken trieb kaum glaubliche Blüten. Was ist geblieben, nachdem sich die Wogen in den Medien geglättet haben?

- Viele essen wieder Rind, „weil ja jetzt alles in Ordnung ist“ - mit anderen Worten: seit die Zeitungen über die BSE-Fälle nicht mehr berichten, können sie ja nicht gefährlich sein.
- Manche verzichten nach wie vor auf Fleisch - aller Art
- Manche entsagten sogar den Gummibärchen, setzten wichtige Medikamente wegen der sie umgebenden Gelatinekapsel ab und wuschen sich nach deren Berührung ängstlich die Hände. Derartige Hysterie ist glücklicherweise mittlerweile verschwunden.
- Manche sind zu Schwein (obwohl seit Jahren ernährungsphysiologisch verteufelt) oder Geflügel übergelaufen und warten auf den nächsten Lebensmittelskandal, der angesichts der Massentierproduktion bereits vorprogrammiert ist. Konventionell hergestelltes Putenfleisch ist der erste Kandidat dafür.
- Und manche - viel zu wenige! - kaufen seither ihr Fleisch für etwas mehr Geld aus verläßlicher Quelle, was vor allem aus Gründen der Qualität und der Haltungsbedingungen sowieso sinnvoll ist.

Bakterien lauern überall
Das stimmt sogar. Aber es kann einem fast immer egal sein - hat doch der Mensch ein hervorragendes Immunsystem, das ihn schon seit vielen Millionen Jahren gegen die schädlichen Vertreter unter ihnen effektiv schützt. Es funktioniert allerdings dann nicht mehr richtig, wenn man ihm jeglichen Kontakt mit den Mikroorganismen versagt. Insofern ist die verbissene Jagd nach Keimen im Haushalt ebenso gesundheitsschädlich wie sinnlos. Wenn diese Leute wüssten, was eine normale Trinkwasserleitung beherbergt, würden sie vielleicht einsehen, daß es sinnlos ist, literweise Chemie ins Abwasser zu pumpen, um die Kloschüssel steriler als das Tafelgeschirr zu ätzen. Und schließlich tummeln sich selbst in und auf unserem Körper friedlich mehrere hundert Milliarden von Bakterien, auf die der gesunde Körper gar nicht verzichten kann. Mehr, als wir eigene Zellen haben.

Werbung ist böse, sie manipuliert den ahnungslosen Bürger, sie lügt aus schierer Profitgier
Wenn man sich die vielen Leute betrachtet, die Werbesprüche glauben, ist vielleicht etwas Wahres dran.

Was mich immer wieder den Kopf schütteln läßt, ist die blauäugige Gläubigkeit an alles, was im Ruch ethnisch exotischer Tradition steht.
Man kann so ziemlich jeden Unfug propagieren, wenn man nur glaubhaft macht, er stamme aus alten Überlieferungen (wahlweise: „uraltes Wissen“, „Wissensschatz“) eines Indianerstammes, der tibetanischen Mönche, der Aboriginees oder südamerikanischer Andenvölker. Gewiß können wir viel von anderen Kulturen lernen. Schwer verständlich ist indes, warum die geheimnisvolle Herkunft zum alleinigen Gütesiegel wird und jegliches kritische Denken abgeschaltet wird. Seltsamerweise verblasst jegliche wissenschaftlich verbürgte Erkenntnis neben dem, was einer Talkshow oder einer Illustrierten zufolge seit grauer Vorzeit von Schamanen praktiziert wird oder von Wissenschaftlern aus alten Tontäfelchen der Mayas entziffert wurde. Daß diese Informationen stimmen, daß es das Volk und die gelobten Traditionen überhaupt gibt und daß sie vor allem wirklich mehr als nur zufälligen Erfolg haben wird seltsamerweise völlig kritiklos geglaubt.

Würden wir denn nicht auch den Kopf schütteln, wenn afrikanische Stämme begönnen, in unserem "uralten Wissen" zu wühlen und Syphilis mit Quecksilber zu behandeln?

Sender, Autoren und Illustrierte verdienen sich an solchen Modeerscheinungen eine goldene Nase. Das Fremde genießt eine unglaubliche Faszination und blindes Vertrauen. Wahrscheinlich auch nur deshalb, weil man geheimnisvollerweise außer sensationsellen Entdeckungen, die „Bild der Frau“ jeder Leserin ganz im Vertrauen enthüllt, nie Näheres erfährt.

„Etwas muß ja doch dran sein, oder?“ - und jeder weiß ein Geschichtchen von der Freundin einer Bekannten, deren Hund durch die Urkraft (auch ein schönes Wort!) des Apfelkerns, durch paraguayanisches Matétee-Öl oder Schwedenkräuter geheilt worden ist.

Etwas muß ja dran sein, warum sonst würden so viele Leute Weizengras-Saft (ist schon wieder out), Apfelessig (Was soll da Tolles drin sein? Und warum muß man das in - teurer - Kapselform zu sich nehmen?) oder ähnliches konsumieren? Warum? Weil's die Werbung verspricht, weil's teuer ist (dann muß es ja was wert sein!) oder weil es in der Zeitung stand bzw. in der gestrigen Talkshow enthüllt wurde. Und daß die pseudowissenschaftlichen Brocken bei näherer Betrachtung oft hinten und vorne Unsinn sind, stört weder die Urheber noch die gläubige Gemeinde.

Was haben Euro, Asylanten, Benzinkonzerne, Apotheken und Stadtverwaltung gemeinsam? Richtig - sie wechseln sich damit ab, von der Boulevardpresse als gewissenlose, unsoziale Preistreiber beschimpft zu werden. Selten ist die Volksseele so einhelliger Meinung. Daß das Spritpreisniveau hierzulande sowohl im internationalen als auch geschichtlichen Vergleich recht moderat ist, wenn man nur die jeweilige Kaufkraft berücksichtigt, tut nichts zur Sache. „In Griechenland hab ich 50 Pfennig für den Liter Super bezahlt“. Und in Amerika erst ... Und für das Medikament von meinem Sohn hab ich in Spanien keine fünf Mark bezahlt ... das hätte bei uns wieder das zehnfache gekostet (zumindest kann man das ja mal vermuten, man kennt sie ja, die Apotheker)! Die Nennung der Währung verrät, dass die Geschichten nicht ganz neu sind.

Die anderen Abzockersprüche sind nicht weniger hohl - meistens sind es wahre, halbwahre oder maßlos übertriebene Geschichten von paradiesischen Zuständen in anderen Ländern, deren Annehmlichkeiten und niedriges Preisniveau wir loben, mit deren Einkommen unser Konto aber ganz schön alt aussähe.

In den Reigen der Abzocker ist vor ein paar Jahren auch Mallorca aufgenommen worden (vielleicht liegt das daran, daß es von vielen ohnehin schon als deutsch angesehen wird). Erdreisten sich diese Halunken doch, eine Umweltsteuer (bei uns würde man es Kurtaxe nennen) zu verlangen, und ungerechterweise auch noch gestaffelt nach der Kategorie der Unterkunft! Da hat sich der arme Bürger den redlich verdienten Urlaub vom Munde abgespart und soll plötzlich pro Übernachtung bis zu 2.- Euro (oberste Kategorie) extra zahlen!

Kaum haben sich die Wogen geglättet, sorgt neues Unheil für Aufregung: die Kugel Eis kostet auf besagter Insel volle 2.- Euro! Es ist schon eine unglaubliche Frechheit (beliebte Vokabel in diesem Zusammenhang!), daß in einer marktwirtschaftlichen Gesellschaft jeder für sein Eis den Preis verlangen kann, der von Touristen offenbar freiwillig bezahlt wird ...